Liza Cody: "Lady Bag"

"Eine Menge Frauen sind tot". Ich konnte nicht anders. "Nadel-Jane im Bahnhofsklo - verseuchter Stoff. Old Mary, unter der Hungerford Bridge, Lungeentzündung. Die kleine Svetlana, in Soho - irgendein Drecksack hat ihr einen Milzriss verpasst, und ich glaube, sie war noch nicht mal vierzehn. Too-Tall Tina in einem Feuer - sie wär gar nicht da gewesen, hätten nicht ein paar Scheißkerle sie rumgeschubst, um an ihre Rezepte und ihre Behindertenrente zu kommen. Und wo waren Sie da? Was ist denn so anders an Natalie? Ach ja, ich vergaß: Ein Gesetz für die Reichen, ein Gesetz für die Armen - das ist unsere Polizei."

Die Obdachlose, die den Leser in diesem Krimi durch London führt, muss es wissen: Wie die meisten Obdachlosen war sie nicht immer obdachlos, sondern es gab ein Leben vor dem Absturz. Mit Familie, eigenem Haus, gutem Job mit Aufstiegsmöglichkeiten - und dem falschen Mann, dem sie hörig war und für dessen Betrügereien sie die Verantwortung übernahm, doch während sie deshalb im Knast saß, ließ er sie fallen. Das Haus und ihr Geld übernahm er, die Verantwortung für die pflegebedürftige Mutter nicht. Seitdem nennt sie ihn den Teufel. Nachdem sie ihre Strafe abgesessen hat, geht der Weg nach unten und das rapide. Nun ist sie eine von vielen namenlosen, nahezu unsichtbaren Gestalten auf der Straße, die Pennerin mit dem Hund, eine Baglady. "Für Sie immer noch Lady Bag!" Verzeihung. 

Mit an ihrer Seite immer die Greyhounddame Elektra, eine ausrangierte Rennhündin und ab einem bestimmten Alkoholpegel eine ausgezeichnete Gesprächspartnerin, die sich geduldig die Ausführungen ihrer Herrin über den Teufel anhört und in brenzligen Situationen immer einen klugen Rat hat. Lady Bag ergeht sich weinseelig und traurig, zugedröhnt und wütend, abgeklärt und schwarzhumorig über ihre Situation auf der Straße, das Leben in der Obdachlosigkeit und besonders über das Leben als obdachlose Frau. Doch dann begegnet sie auf einer ihrer Wanderungen zufällig dem Teufel und beschließt, ihm zu folgen. Eine nicht so gute Entscheidung, denn wenn man sternhagelvoll in einen Mordfall stolpert, sitzt man gewaltig in der Patsche, "und sie wurde mit jeder Minute tiefer und zäher. Jemand war tot. Jeder schien zu denken, ich wäre Natalie Munrow, möglicherweise Grams Freundin und Besitzerin der Hauses mit der gelben Tür. Aber ihr Bruder war auf dem Weg hierher und würde mich auffliegen lassen, sobald er mich sah. Mein Kopf schmerzte wie eine zum Platzen gefüllte Eiterbeule.Ich hatte Elektra eingebüßt, meine Schlafrolle und all mein Zeug sowie über zwanzig Pfund in Münzen, die ich in meinen Klamotten versteckt hatte."

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0