Thomas Wagner: "Der Dichter und der Neonazi"

Im Januar 1983 ist eine Talkshow geplant. Einer der Gäste: Erich Fried, jüdischer Dichter, Holocaust-Überlebender und leidenschaftlicher Antifaschist. Ein anderer Gast: Michael Kühnen, einer der Wortführer der derzeitigen Neonazi-Szene in Westdeutschland.

 

Kurz vor der geplanten Aufzeichnung allerdings wird Kühnen wieder ausgeladen. Erich Fried zeigt sich irritiert und wendet sich per Brief an den Widersacher - eine ungewöhnliche Brieffreundschaft beginnt.

 

In "Der Dichter und der Neonazi" beschreibt Thomas Wagner jetzt diese Bekanntschaft der ungleichen Männer.

 

Die Brieffreundschaft selbst dauert mehrere Jahre, aber nur 16 Briefe an. Wir erfahren aber auch darüber hinaus einiges.

 

Wir tauchen ein in die Kindheit Erich Frieds in Wien, erfahren, wie er dem Holocaust entkommen konnte und sich in den Nachkriegsjahren gern den Aussagen der Außerparlamentarischen Opposition anschloss. Zeitlebens blieb die Politik ein wichtiges Thema für den Dichter.

 

Auch Michael Kühnens Vergangenheit wird erklärt. Der Mann aus einem katholischen Elternhaus engagierte sich bereits als Jugendlicher in rechtsextremen Organisiationen und stieg immer weiter auf.

 

Neben der Darstellung der beiden Lebensläufe schafft Thomas Wagner etwas weiteres: er schafft Verständnis für diesen wichigen Diskurs, der vielleicht gerade heute wieder aktuell ist wie lange nicht mehr. Denn trotz ihrer sehr verschiedenen politischen und sozialen Ausrichtungen, schrieben sich beide Männer respektvolle Briefe. Besonders Fried betont immer wieder die gegensätzliche Meinung der beiden, aber auch, wie wichtig er es findet, sich gerade deshalb auszutauschen.

Ein kleines, aber dringend lesenswertes Buch über eine erstaunliche Vergangenheit von erschreckender Aktualität.

 

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