Anna Yeliz Schentke: "Kangal"

Heimlich besteigt Dilek das Flugzeug von Istanbul nach Frankfurt. Zu angespannt ist sie, zu groß das Risiko, entdeckt und an der Ausreise gehindert zu werden. Zu groß die Sorge um ihren Freund Tekin, der noch in Istanbul lebt und von dem sie sich nicht einmal verabschieden konnte.

 

Doch es geht alles gut.

 

In Frankfurt angekommen meldet sie sich bei ihrer Cousine Ayla. Jahrelang hatten die beiden jungen Frauen keinen Kontakt. Bei ihrem letzten Treffen in der Türkei hatten sich die Mütter, eine in Deutschland lebend, eine in der Türkei, über politische Themen gestritten und schließlich entzweit.

 

Ayla ist als Tochter türkischer Eltern in Deutschland geboren. Für sie ist die Türkei ein bisschen Urlaub, ein bisschen Kindheit. Sie, die zwischen den Welten aufgewachsen ist, schaut mit einem verklärten Blick auf das Heimatland ihrer Eltern.

 

Dilek und Tekin dagegen haben gespürt, wie sich das politische und gesellschaftliche Klima in Istanbul in den letzten Jahren immer mehr abgekühlt hat. Sie waren auf Demonstrationen, sie hatten Hoffnungen, sie haben den Putschversuch 2016 mitbekommen. Ihre Freundin wurde verhaftet. Unter dem Pseudonym "Kangal" schreibt Dilek online gegen das Regime an. Bis ihr das Pflaster zu heiß wird und sie sich entscheidet, das Land zu verlassen.

 

In mehr oder weniger kurzen Abschnitten lässt Anna Yeliz Schentke Dilek, Tekin und Ayla zu Wort kommen. Durch die wechselnden Perspektiven wird der Roman abwechslungs- und temporeich, er reißt mit, klärt auf, beklemmt.

 

"Kangal" ist ein faszinierender Debütroman, der noch lange nachhallt.

 

 

Verfasst von: EJ

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